Digitale Souveränität „Made in Germany“: Neue Software-Lösungen als echte Microsoft-Alternative

Digitale Souveränität „Made in Germany“: Neue Software-Lösungen als echte Microsoft-Alternative
Bild exemplarischDie digitale Landschaft Europas befindet sich im Wandel. Während der Großteil öffentlicher Institutionen und Unternehmen noch auf etablierte US-Softwarelösungen wie Microsoft Office 365 setzt, wächst der Wunsch nach digitaler Souveränität – insbesondere in Deutschland. Mit neuen Initiativen, Allianzen und technologischen Entwicklungen steht eine neue Generation von Bürosoftware „Made in Germany“ kurz vor dem Marktstart. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Bestrebungen deutscher Unternehmen und öffentlicher Einrichtungen, sich von US-Diensten zu emanzipieren, und erklärt, warum 2025 ein Schlüsseljahr für diese Bewegung werden könnte.

Digitale Souveränität: Warum jetzt?

Digitale Souveränität bezeichnet die Fähigkeit eines Staates, Unternehmens oder einer Institution, ihre digitalen Systeme unabhängig, sicher und datenschutzkonform zu betreiben. Mit zunehmenden geopolitischen Spannungen, verschärften Datenschutzregeln wie der DSGVO und der wachsenden Bedeutung von Cloud-Diensten gewinnt diese Souveränität enorm an Bedeutung.

Derzeit nutzen rund 96 % aller Bundesbehörden Microsoft-Produkte – darunter Outlook, Word, Teams und OneDrive. Diese Abhängigkeit stellt für viele Expertinnen und Experten ein Risiko dar, vor allem im Hinblick auf Datenschutz, Kontrolle über Daten und Preispolitik der Anbieter. Gleichzeitig nähern sich beliebte Microsoft-Office-Versionen wie Office 2016 und 2019 ihrem Support-Ende im Oktober 2025, was viele Unternehmen zu einem Umstieg zwingt – oder zu einem strategischen Neuanfang.

Nextcloud und Ionos: Ein deutsches Gegengewicht zu Microsoft 365

Eine der vielversprechendsten Initiativen in Deutschland ist die Kooperation zwischen Nextcloud und dem Webhosting-Anbieter Ionos. Gemeinsam entwickeln sie eine cloudbasierte Office- und Kollaborationslösung, die als offene, datenschutzkonforme Alternative zu Microsoft 365 dienen soll.

Technologische Grundlage

Die Plattform basiert vollständig auf Open-Source-Technologie. Kernbestandteile sind:

  • Nextcloud Hub: für Dateiablage, Aufgabenverwaltung und Kalenderfunktionen
  • Collabora Online: für die Bearbeitung von Office-Dokumenten direkt im Browser
  • Nextcloud Talk: als Alternative zu Microsoft Teams

Das Ziel ist eine modulare, benutzerfreundliche Lösung, bei der Organisationen und Behörden vollständige Kontrolle über ihre Daten behalten – betrieben in deutschen Rechenzentren, auf Wunsch auch On-Premise.

Marktstart und Zielgruppen

Die offizielle Markteinführung ist für das Jahr 2025 geplant. Vorrangig richtet sich das Angebot an europäische Unternehmen, öffentliche Verwaltungen sowie regulierte Industrien, die unter strengen Compliance-Vorgaben agieren. Aber auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht auf Microsofts Cloudmodell umsteigen wollen, stellt die neue Lösung eine echte Alternative dar.

openDesk: Die Antwort der öffentlichen Hand

Parallel zur privatwirtschaftlichen Initiative haben sich auch staatliche Akteure dem Thema digitale Souveränität angenommen. Das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) entwickelt mit openDesk eine vollwertige Groupware-Suite auf Open-Source-Basis.

Struktur und Funktionen

openDesk kombiniert bewährte Open-Source-Module:

  • Nextcloud für Dateien und Synchronisierung
  • Collabora für Office-Dokumente
  • OpenProject für Projektmanagement
  • Jitsi für Videokonferenzen

Das System wird sowohl in einer kostenfreien Community-Version als auch in einer professionellen Enterprise-Edition angeboten. Seit Ende 2024 ist openDesk für öffentliche Einrichtungen verfügbar und gewinnt kontinuierlich an Akzeptanz – unter anderem in der Bundeswehr und in verschiedenen Landesministerien.

Schleswig-Holstein als Vorreiter

Ein besonders ambitioniertes Projekt kommt aus dem Norden: Schleswig-Holstein plant bis 2025 die Umstellung von rund 30.000 Verwaltungs-PCs auf Linux, LibreOffice und Nextcloud. Ziel ist es, nicht nur Lizenzkosten zu senken, sondern auch langfristige Unabhängigkeit von proprietären Softwarekonzernen zu schaffen.

Delos Cloud: Microsofts souveräne Antwort

Auch Microsoft reagiert auf den Ruf nach mehr Kontrolle und Souveränität. Gemeinsam mit SAP und Arvato Systems arbeitet das Unternehmen an der sogenannten Delos Cloud – einer Cloud-Infrastruktur für deutsche Behörden, betrieben in zertifizierten deutschen Rechenzentren.

Obwohl das Fundament der Delos Cloud Microsoft Azure bleibt, soll sie den Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entsprechen. Kritiker merken jedoch an, dass Delos in der Praxis kaum Unabhängigkeit von Microsoft ermöglicht – zumal der Dienst voraussichtlich 10 bis 20 Prozent teurer sein wird als die herkömmlichen Microsoft-Cloud-Angebote.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Trotz wachsender Begeisterung für Open-Source-Alternativen gibt es Hürden. Dazu zählen:

  • Benutzerfreundlichkeit: Viele Nutzerinnen und Nutzer wünschen sich moderne, intuitive Oberflächen, wie sie von Microsoft gewöhnt sind.
  • Kompatibilität: Der Austausch von Dokumenten mit Microsoft-Nutzern bleibt eine technische Herausforderung.
  • Schulungen und Support: Der Umstieg auf neue Systeme erfordert oft Schulungen und Change-Management-Maßnahmen.
  • Trägheit der Verwaltung: In vielen Behörden fehlt es an Ressourcen und Entscheidungsfreude für große Softwaremigrationen.

Internationale Perspektiven

Auch auf europäischer Ebene wird digitale Souveränität immer stärker zum Thema. Die EU fördert verstärkt Open-Source-Projekte und ruft zur Unabhängigkeit von US-Technologieriesen auf. Die Präsentation von openDesk bei internationalen Veranstaltungen wie „OSPOs for Good“ zeigt, dass Deutschland hier als Vorreiter wahrgenommen wird.

Zitat aus der Praxis

„Unsere Abhängigkeit von US-Software gefährdet langfristig die Sicherheit und Integrität unserer Verwaltungsprozesse. Es braucht europäische Lösungen, die demokratisch kontrollierbar, transparent und datenschutzkonform sind.“

– IT-Referent eines Bundesministeriums

Vergleich der Lösungen im Überblick

PlattformTrägerTechnologieZielgruppeBesonderheiten
Nextcloud + IonosPrivatwirtschaftlichOpen Source (Nextcloud, Collabora)KMU, Behörden, UnternehmenHohe Anpassbarkeit, DSGVO-konform
openDeskZenDiS (öffentlich)Open Source (Nextcloud, Jitsi etc.)Verwaltung, Bildung, MilitärCommunity & Enterprise-Versionen
Delos CloudMicrosoft, SAP, ArvatoMicrosoft Azure-basiertÖffentliche VerwaltungBSI-zertifiziert, jedoch Microsoft-Kern

Ausblick: Was bringt 2025?

Das Jahr 2025 könnte zum Wendepunkt in der deutschen IT-Landschaft werden. Mit dem Auslaufen älterer Office-Versionen stehen viele Unternehmen und Behörden vor der Entscheidung: weiter mit Microsoft – oder Umstieg auf eine souveräne, europäische Lösung.

Die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Open-Source-Plattformen wie Nextcloud + Ionos und openDesk sowie politische Unterstützung für Projekte zur digitalen Unabhängigkeit sprechen dafür, dass der Wandel tatsächlich gelingt. Gleichzeitig bleiben technische, organisatorische und finanzielle Herausforderungen bestehen.

Fest steht: Der Wettbewerb um die digitale Infrastruktur der Zukunft hat begonnen – und erstmals seit Jahrzehnten hat Deutschland eine reale Chance, eigene Standards zu setzen.

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Unter dem Pseudonym Lichtstern schreibe ich für ein Online-Magazin über Photonik sowie die Kraft von Licht und Energie. Meine Expertise in Photonik hilft mir, schwierige Konzepte leicht zugänglich zu machen. Mein Ziel ist es, die spannenden Aspekte und Potenziale der Lichtwissenschaften zu enthüllen und zu verbreiten.

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